Erster Klartraum von André Mardari-Braun im Jahr 2015
Nach einem Coaching erreicht mich die Aufzeichnung seines ersten Klartraums:

Ohne Titel

 

Eine weitere Nacht ohne Klartraum neigt sich dem Ende. Ich spüre die ersten Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht tänzeln und die Hektik im Raum, wenn meine Freundin sich für Arbeit fertig macht.

Zwei drei zwanghafte Versuche weiterzuschlafen später, beschließe ich, mich aufzusetzen und ein paar Worte mit ihr zu wechseln, ehe sie eilig in den Tag hinausstürmt. Einige Augenblicke starre ich regungslos in den sich nun beruhigten Raum. Die Straßengeräusche sind kaum wahrnehmbar, sodass sich das Gefühl von Ruhe in mir ausbreitet. Kurz muss ich an meine Überlegungen zum Klarträumen denken; an das was ich darüber gelesen habe. Im nächsten Moment finde ich mich zwar ausgeruht, doch wohlig entspannt in meine Decke eingekuschelt wieder. Der leichte Schlaf hat mich zurück.

 

Während ich in einem grauweiß kahlen, sich aufklärenden Korridor den letzten Raum am rechten Ende des Gangs betrete, realisiere ich, mich am Mittelmeer zu befinden. Die Sonne greift vorsichtig durch die lichten, glaslosen Fenster hinter der Terrasse über dem Meer in das Zimmer. Kein Lüftchen geht um und doch ist es angenehm mild. Der Frieden dieses einsamen, mediterranen Sommertags steigt in mir auf. Der spärlich möblierte, undekorierte Schlafraum blüht auf. Mein Blick schweift durchs Zimmer. Alles strahlt weiß. Selbst das hölzerne Bettgestell, die Buchenholzkommode und der terracottafarbene Fließboden können diesem Eindruck kaum entgegenwirken. Plötzlich verfängt ein alter Radiowecker mit Digitalanzeige aus den 90er-Jahren sich im Netz meines sanft schwankenden Blickes. Er steht auf der Kommode, wo er zuvor nicht stand. Seine rot-leuchtende Anzeige durchdringt den weißlichen Schleier für einen kurzen Augenblick. Und erst jetzt kommt mir der Gedanke, mich möglicherweise in einem Traum zu befinden. Meinem liebsten Reality-Check kommt der Radiowecker ganz recht, begreife ich, ehe ich meinen Blick hastig abwende. Wenn zuvor die Anzeige noch eine realistische Uhrzeit angezeigt hat, so fangen nun, beim erneuten Blick auf das Display, die 2-, 3-, und 4-stelligen Ziffern nur so an, aus dem Radiowecker herauszutänzeln. Als würden sie sich hüpfelnd über mein Unbewusstsein lustig machen. Erst sodann bergreife ich, dass ich träume. Halb luzide, nähere ich mich nun der Kommode und greife nach einem rot-weiß-karierten Topflappen. Regungslos stehe ich da und starre auf das Stück Stoff, während seine Farben langsam anfangen zu pulsieren. Ich fühle das Strahlen des immer satter werdenden Rots sich in mir ausbreiten. Noch ehe ich diese Wahrnehmung so recht begreife, durchbricht ein grünes Leuchten die weißen Karos. Eine nie gekannte Symbiose aus wohlig-gesättigtem Grasgrün und glühendem Lavarot bestrahlt mich und lässt mich erkennen, eine derartige Farbwahrnehmung noch nie erlebt zu haben. Trunken im Farbrausch beschließe ich sofort zu fliegen.

Ich stürme aus dem Schlafraum in den Korridor und fange an zu laufen. Schlagartig dehnt sich der Korridor aus. Ein eben noch gräulich, spärlich belichteter, langer Raum wird zu einer immer weiter ziehender, sich zu allen Seiten hin öffnender, lichtdurchfluteter Flur, die ich sogleich stetig beschleunigend zur rechten Seite hin verlasse.

An der Wohnhaussiedlung der Gottliebstraße, unterhalb der Tramstation Nürnberg Westfriedhof finde ich mich wieder. Mehr als meine halbe Kindheit habe ich hier tollend verbracht und niemals vermochte ich es wie nun, rennend, meine Arme schräg abfallend hinter meinen Körper gestreckt, abzuheben und zu begreifen, was es bedeutet zu fliegen. Jede Sorge des Alltags, jede tiefliegende Angst scheint mitsamt der Gravitation auf dem Boden gelassen, während mein Körper mit geisterhafter Leichtigkeit und kindlicher Hast und Unbehagen vor dem Unbekannten nach oben schießt. Erst nachdem ich blitzartig die ersten Autos, Köpfe und Bäume überschritten habe, merke ich wie ungeübt ich doch noch im Fliegen bin. Der Himmel scheint von einer undurchdringbaren Wolkenschicht besetzt. Kurze pulsierende Windstöße schlagen mich immer wieder aus der Bahn. Ohne die Kontrolle über meinen Flug zurückzuerlangen steuere ich auf das dichte dunkle Grün der Westfriedhofeichen am Straßenrand zu. Im letzten Moment versuche ich das Steuer dieser Irrmaschine an mich zu reißen und nach oben zu ziehen um der unvermeidbaren Kollision mit den Bäumen zu entgehen. Einen Augenblick lang sehe ich das rettende Grau der Wolkendecke über mir, ehe der letzte hohe Baumwipfel meinen abrupten Steigflug auffängt und mich ins Reich der Wachen zurückschmeißt.

Hellauf und tiefenentspannt öffne ich kurz die Augen. Wohlwissend, dass ich keinen Weg mehr zurück in dieses Geschehen finde, schließe ich sie erneut. Ich atme ein letztes Mal diese Farben ein, diese Leichtigkeit, dieses Licht.

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